Ein Loblied auf TrommelPower
Ein Erfahrungsbericht von Inga Brauer
Ein Erfahrungsbericht von Inga Brauer
Inga Brauer ist Lehrerin an der Veit-Stoß-Realschule in Nürnberg. Lesen Sie im Folgenden ihren Bericht über das TrommelPower-Projekt HEARTBEAT, zu dessen Höhepunkt drei Schulklassen aus Erlangen und Nürnberg zusammen mit dem Staatstheater Nürnberg auf großer Bühne musizierten.
Mehr Pädagogen!
„Wer kann morgen bereits um 7 Uhr 40 in der Schule sein und mir bei den Vorbereitungen im Klassenzimmer helfen?“
Fast ein ganzes Schuljahr lang jeden Mittwoch die gleiche Frage und jeden Mittwoch die gleiche Reaktion: Mindestens zehn Schüler melden sich! Und noch erstaunlicher – sie sind auch alle am nächsten Morgen früher als sonst in der Schule, verschieben flink Tische und bauen gemeinsam einen großen Stuhlkreis auf.
Es ist Donnerstag! Es ist die erste Stunde! Es ist TrommelPower! Es ist in diesem Schuljahr die Lieblingsstunde der Klasse 6b – da sind sich alle einig! Die Gründe dafür sind so vielfältig wie die Klasse selbst: Kein Leistungsdruck, keine Hausaufgaben, kein Notendruck, alle sind durchweg aktiv, alle sind dabei und gehören dazu.
Rückblickend steht aber ein Grund über allen anderen: Sven! Sven, der Musiktherapeut, der die Klasse fast ein ganzes Schuljahr trommelnd begleitete. Sven, der geduldige und ruhige, der immer die richtigen Worte fand, um die Kinder zu erreichen und zu motivieren. Sven war nicht da, um zu werten und zu bewerten, sondern um GEMEINSAM mit den Kindern zu trommeln und zu spielen. Das war für die Kinder spürbar – immer!
Und auf einmal war möglich, was einem als Lehrkraft einer Klasse mit 30 Schülerinnen und Schülern oft unmöglich erscheint: Sven hat sie alle „mitgenommen“.
Wie in jeder Schulklasse gibt es auch in der 6b Kinder, die sich gerne zeigen, und Kinder, die lieber unauffällig im Hintergrund agieren. Nicht so in den Trommelstunden. Diejenigen, die sich sonst weniger in den Vordergrund wagten, zeigten sich: immer donnerstags – immer in der ersten Stunde – immer trommelnd. Und mit jedem weiteren Donnerstag immer selbstbewusster und mutiger, ein Erfolg, der für mich als Klassenleiterin genug Rechtfertigung für ein Jahr TrommelPower darstellt. Zumal sich der Zusammenhalt der Kinder spätestens ab März bei Ausflügen, in den Pausen und auch im Unterricht zeigte: Sie brauchten Sven nicht mehr, um alle „mitzunehmen“, sie schafften das nun auch allein!
Dazu war es aber nicht nur nötig, dass die Schüchternen und Zurückhaltenden mit mehr Zutrauen handelten, sondern auch, dass die Lauten und Mutigen sich zurücknahmen und das Trommeln als gemeinschaftliches Handeln wahrnehmen konnten. Das war schwer, aber sie haben es oft geschafft.
In der Hauptprobe, bei der ersten Begegnung mit den Klassen der anderen Schulen fielen viele Schüler wieder in ihr gewohntes Verhaltensmuster: zeigen – verstecken. Dank der tollen Arbeit der Musiktherapeuten mit den Kindern fanden alle schnell wieder ihren Mut und ihr Selbstvertrauen. Somit war die Hauptprobe für die Klasse 6b in erster Linie ein sich Zurechtfinden in einer fremden Umgebung zwischen vielen, zum Teil fremden Menschen. Auch das haben sie gemeistert!
Die Generalprobe verlangte allen Kindern viel Geduld und Ausdauer ab, und es muss hier unbedingt lobend erwähnt werden, dass alle Klassen sich den Anforderungen dort ausgesprochen gut stellten. Sie waren konzentriert, ruhig und natürlich auch aufgeregt. Einige kamen mit Kindern aus den anderen Schulen in Kontakt, aber meist blieben die Klassen unter sich. Verständlich – fühlt man sich doch in der eigenen „Herde“ am sichersten!
Bei unserem Abschlusstreffen mit Sven waren wir uns alle einig: Das Jugendkonzert war eine tolle Erfahrung für alle Beteiligten und eine Ehre. Das Erleben von TrommelPower im gesamten Projektverlauf bedeutete für uns:
GEMEINSAM trommeln und spielen, den anderen wahrnehmen und annehmen.
Kinder brauchen auch an Schulen Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten jenseits des herkömmlichen Unterrichts. Sie brauchen Raum, Zeit und Möglichkeiten, sich gegenseitig wahr- und anzunehmen. Und ich stellte fest, ich als Lehrkraft brauche das auch. Ich brauche Raum und Zeit, junge Menschen außerhalb des klassischen Unterrichts wahrnehmen zu dürfen – ohne am Ende eine Wertung in irgendeiner Form abgeben zu müssen. Wir brauchen mehr Pädagogen an unseren Schulen!